Süddeutsche Zeitung
Kopftuch unterm Doktorhut
Hochqualifiziert und chancenlos: Praktizierende Musliminnen stoßen auf Ablehnung bei Arbeitgebern

Schon zu Schulzeiten stand für Biologie-Studentin Rabea Bachir (Name geändert) fest, was sie einmal machen wollte: Tierfilme. Noch vor allen Mitschülern bewarb sich die Tochter einer Deutschen und eines Tunesiers bei verschiedenen TV-Sendern und Produktionsfirmen. Trotz ihrer sehr guten Noten wollte sie nichts anbrennen lassen. Doch die Euphorie wich schnell der Ernüchterung. Es gab nur Absagen. Begründung: Wir vergeben keine Praktika. Als wenig später Klassenkameraden genau die Stellen bekamen, die eigentlich sie haben wollte, wurde der 25-Jährigen der eigentliche Grund für die Absagen klar: das Kopftuch. "An meinen Noten kann es nicht gelegen haben", sagt Bachir.
Die Mitarbeiterinnen des Kölner Begegnungs- und Fortbildungszentrums muslimischer Frauen kennen die Sorgen junger, kopftuchtragender Akademikerinnen. Egal, ob es um die Vergabe von Praktikumsstellen oder den Job nach dem Studium geht: "Es brennt", sagt Erika Theißen, Geschäftsführerin des Zentrums, in dem Musliminnen Rat suchen können. Sie stehen vor einer Entweder-oder-Frage: Karriere oder Kopftuch. "Es ist schlimm, dass sie sich zwischen zwei für sie existentiellen Dingen entscheiden müssen", sagt Theißen.

Einen Job hat Fatma Bayra (Name geändert) auch nach mehr als hundert Bewerbungen nicht. Trotz eines guten Wirtschaftsdiploms. "Bei Auswahlverfahren wurde mir schon gesagt, dass meine Kleidung nicht in Ordnung ist", sagt Bayra. Immer steht ihr Kopftuch im Mittelpunkt, selten ihre Leistung.

Mit dem Kopftuch assoziieren Personalchefs bestimmte Merkmale: "Es steckt sicher keine Böswilligkeit dahinter, aber viele gehen beim Anblick eines Kopftuchs davon aus, dass die Trägerin kein Deutsch kann, nicht modern ist oder zu Hause unterdrückt wird", sagt Biologie-Studentin Bachir. Auch wenn sie diesem Vorurteil nicht entspricht, bei Bewerbungen hilft das wenig. "Die fehlerfreie Bewerbung könnte ja auch jemand für mich geschrieben haben", sagt sie. Das Kopftuch während der Arbeitszeit oder beim Knipsen der Bewerbungsfotos abzulegen, kommt für die gebürtige Münchnerin jedoch nicht in Frage. Sie trägt es aus religiöser Überzeugung: "Die Arbeitgeber müssen mich schon so akzeptieren, wie ich bin", sagt Bachir. Und zu ihr gehört das Kopftuch.

In Internetforen diskutieren Musliminnen oft über die Frage, ob sie statt des Bewerbungsfotos mit Kopftuch lieber eins ohne verschicken sollen. "Man sollte niemals täuschen und das Besondere an sich verschweigen", rät Lale Akgün, Integrationsexpertin und Bundestagsabgeordnete der SPD. Darunter würde das Vertrauensverhältnis zwischen Bewerber und potentiellem Arbeitgeber von Anfang an leiden. Doch seitdem das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vor einem Jahr in Kraft getreten ist, dürfte sich die Frage nach den Bewerbungsfotos eigentlich nicht mehr stellen. Genau wie in den USA längst üblich, sind Fotos für Bewerbungen in Deutschland nicht mehr relevant und können weggelassen werden. Doch hier gehen Theorie und Praxis weit auseinander. Denn noch immer gehört zu einer vollständigen Bewerbungsmappe ein Foto einfach dazu.

Daher rät Integrationsexpertin Akgün zu einem offenen Umgang bei Bewerbungen mit Kopftuch. "Man sollte die Gründe, warum man das Kopftuch trägt, klar aussprechen, um Phantasien und Vorurteile zu entkräften", sagt sie. So kann man dem potentiellen neuen Arbeitgeber klarmachen, wie weit die eigene Frömmigkeit geht. "Darauf hat der Arbeitgeber ein Recht", sagt Akgün. Es gebe schließlich auch Formen von Religiosität, bei der Frauen Männern weder die Hand geben noch alleine mit ihnen in einem Raum bleiben. Im Geschäftsalltag der meisten Firmen sei das nun mal undenkbar.

Auch muslimische Hochschulverbände und Studentenorganisationen sind Anlaufstelle für die Betroffenen und registrieren die Bewerbungsprobleme der Kommilitonen. Doch laut wollen viele nicht darüber sprechen. Zwar ist die Diskriminierung deutlich spürbar - sie letztlich zu beweisen ist aber so gut wie unmöglich. Kaum ein Entscheider wird der Bewerberin sagen, dass der Grund der Absage ihr Kopftuch ist. Denn dann verstößt er gegen das neue Gleichstellungsgesetz. Daher bevorzugen Personaler in solchen Fällen diskrete Absagen ohne viel Angriffsfläche für Kritik.

"Es ist schwierig, etwas über das Ausmaß der Diskriminierung zu sagen", sagt Torsten Jäger, Geschäftsführer des Interkulturellen Rates in Darmstadt. Sicher ist nur, dass das Gesetz die Diskriminierung im Einzelfall nicht verhindern kann. Als gesellschaftliches Signal, dass Diskriminierung bestraft wird, sei es aber unerlässlich. Doch auch im Fall einer tatsächlichen Benachteiligung setzen sich nur wenige zur Wehr. Der Gang zum Anwalt ist selten, stattdessen haben sich viele mehr oder weniger in ihr Schicksal gefügt.

Personalabteilungen der großen Firmen bestreiten entschieden, dass Kopftuch oder Herkunft eine Rolle spielen: "Es werden keine Unterschiede zwischen den Bewerbern gemacht", sagt zum Beispiel Ute Mundolf, Sprecherin des Automobilherstellers Ford. Die Frage nach der Herkunft werde erst relevant, wenn es um die Arbeitserlaubnis gehe. Bei Bewerbern mit Migrationshintergrund und Studienabschluss bemerke man ohnehin keine Unterschiede zu den Bewerbungen deutscher Hochschulabsolventen. Anders sei das bei Bewerbungen von Migranten für Ausbildungsberufe. Dort könnten Noten und Sprache deutlich schlechter sein als bei Deutschen.

In vielen Fällen ist aber nicht einmal das Kopftuch ausschlaggebend für die direkte Ablehnung. "Schon ein ausländisch klingender Name kann in einzelnen Fällen ausreichen, um eine Absage zu bekommen", sagt Monika Huesmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Management an der Freien Universität Berlin. Sie hat untersucht, ob Firmen bereits bei der Vorauswahl zum Bewerbungsgespräch bestimmte Gruppen diskriminieren. Sie erstellte Lebensläufe von deutschen und türkischen Männern und Frauen, die genau auf ausgeschriebene Stellen passten und verschickte sie online an die Unternehmen. Ergebnis: Die türkischen Frauen hatten mit Abstand das größte Problem, eine Einladung zu bekommen. "Für Unternehmen hat es ökonomisch keinen Sinn zu diskriminieren und bestimmte Bewerbergruppen auszuschließen", sagt Huesmann. Passieren tut es trotzdem.

Biologie-Studentin Bachir hat trotz Kopftuch keine Angst davor, später ohne Job da zu stehen. Sie wird wohl auf ein klassisches Bewerbungsverfahren verzichten. Denn schon jetzt ist sie nah an ihrem Traumjob dran. Sie hat es geschafft, einen Nebenjob als "Rechercheuse" für Tiersendungen zu bekommen. Ihre Kollegen hat sie von sich überzeugt. "Das Kopftuch macht es zwar nicht leichter, aber trotzdem ist es möglich, einen guten Job zu finden", sagt sie. Anders sieht es bei Wirtschaftswissenschaftlerin Fatma Bayrak aus. Sie hat sich bereits an der Uni eine Promotionsstelle gesichert - statt Job.
Das liebe, das große Geld
Die Wirtschaft boomt - da kann man doch mit viel Selbstbewusstein in die Gehaltsver- handlung gehen, oder? Wie Experten das Gehaltsniveau für Einsteiger einschätzen und welche Gesprächstaktik sie empfehlen

Alle reißen sich um Wirtschaftsinformatiker, auch um Christian - und das ausgerechnet bei der Suche nach seinem ersten Job. "Ich habe schon damit gerechnet, eine Stelle zu bekommen. Aber dass ich so viele Angebote kriege, hätte ich nie gedacht", sagt der 27-Jährige, der gerade sein Studium abgeschlossen hat. Eigentlich hatte er sich auf eine lange und anstrengende Bewerbungsphase eingestellt. Aber dass die nun schon nach wenigen Wochen wieder vorbei ist, hätte er sich nicht träumen lassen.
Dank anziehender Konjunktur geht es zurzeit vielen Absolventen so wie Christian. "Das Tal der Tränen ist durchschritten", sagt Jürgen Bühler von der Personalberatung Alma Mater. Die Stuttgarter Firma hat sich auf die Vermittlung von akademischem Nachwuchs spezialisiert. Nach den Hungerjahren 2003 und 2004, in denen es Berufseinsteiger besonders schwer hatten, eine gut bezahlte Stelle zu finden, registrieren Bühler und Kollegen reichlich Bewegung am Arbeitsmarkt. "Besonders in den letzten drei Monaten merkt man deutlich, dass sich was tut", sagt Bühler. Manche Personaler greifen sogar schon zu ungewöhnlichen Mitteln, um die besten Kandidaten vom übersichtlicher werdenden Bewerbermarkt zu fischen.

"Ein ganzer Goldbarren wurde einer Kundin als Prämie angeboten, damit sie einen Job annimmt", sagt Christian Püttjer, Coach und Autor zahlreicher Bewerbungs-Ratgeber. Solche glänzenden Entscheidungshilfen sind zwar die Ausnahme. Dennoch gibt es einige Branchen, in denen die Firmen unter Zugzwang stehen und händeringend nach neuen Mitarbeitern suchen.

Besonders begehrt sind Informatiker, Elektrotechniker und Maschinenbauer. Daher profitieren sie auch am meisten von den aktuellen Gehaltssteigerungen. "Der Bewerbermarkt ist hier regelrecht abgegrast", sagt Berater Bühler. Immer mehr Firmen, die bisher selber den Nachwuchs gesucht haben, gehen schon dazu über, diese Arbeit von Profis erledigen zu lassen. Die eigenen Personalabteilungen schaffen es nicht mehr, genügend qualifizierte Bewerber zu generieren.

Immer noch schwer haben es noch Betriebswirte, die sich etwa auf den Bereich Marketing spezialisiert haben. Sie profitieren derzeit noch wenig von der anziehenden Konjunktur. Ebenso ergeht es Absolventen geisteswissenschaftlicher Studiengänge. Bis der positive Trend auch die Branchen erreicht, die für Geisteswissenschaftler interessant sind, müssen sie sich noch gedulden. „Firmen neigen dazu, erst einmal selber Geld zu verdienen“, sagt Autor Püttjer. Da dauert es, bis sie auch etwas an die Mitarbeiter weitergeben.

Dennoch: Insgesamt steigen die Gehälter von Berufsanfänger stetig. Laut personalmarkt.de sind in den vergangenen zwei Jahren vor allem die Gehälter junger Mediziner und Ingenieure höher geworden. Jura-Einsteiger verdienen in diesem Jahr mit einem Durchschnittseinkommen von fast 42.000 Euro am meisten. Doch von den jüngsten Gehaltsrunden profitieren sie, genau wie die Geisteswissenschaftler, erst einmal nicht.

Die Voraussetzungen für gelungene Gehaltsverhandlungen muss trotz Aufschwung immer noch jeder selber schaffen. Denn die Erwartungen und Ansprüche der Firmen sind nicht geringer geworden. Durch verschiedene Praktika oder freiberufliche Arbeit neben dem Studium lassen sich die eigenen Chancen am besten aufbessern. „Ein Abschluss an einer Elite-Uni bringt im Zweifel nicht viel“, sagt Berater Bühler. „Auch der normale Student hat gute Chancen, wenn seine Qualifikationen auf das passen, was gesucht wird.“ In falscher Sicherheit sollte sich also kein Jobeinsteiger wähnen. Allerdings wird Fleiß heute wieder belohnt. Gerade für Studenten, die kurz vor dem Abschuss stehen, gilt: „Die Bereitschaft der Firmen, Praktikanten als Angestellte zu übernehmen, ist gestiegen“, sagt Püttjer. Das belegen auch Studien.

Wer mehrere Angebote auf dem Tisch hat, kann pokern. „Es ist im Bewerbungsgespräch erlaubt zu sagen, dass auch andere Firmen Interesse an einem haben“, sagt Püttjer. Reagiert der Personaler distanziert oder ignoriert er den Hinweis auf die Konkurrenz, sollte man das Gespräch schnell wieder auf seine Qualifikationen lenken.

Die Gehaltsfrage bei einem Bewerbungsgespräch selber auf den Tisch zu bringen ist allerdings streng verboten. Nur in extremen Fällen, wenn selbst bei einem zweiten Gespräch das Gehalt noch nicht zur Sprache gekommen ist, sollte der Job-Kandidat die Initiative ergreifen: „Wenn man erst bei den endgültigen Vertragsverhandlungen über das Gehalt spricht, sind zu viele Leute beteiligt“, sagt Püttjer. Dann wird es schwer noch an der Gehaltsschraube zu drehen.

Übertriebenen Ehrgeizig muss man vor den Gehaltsverhandlungen ablegen. Dennoch sollte man sich vor dem Gespräch eine Taktik zurechtgelegt haben, falls die eigenen Gehaltsvorstellungen vom Arbeitgeber strikt abgelehnt werden. „In diesem Fall kann man sich zunächst stur stellen und erneut seine Qualifikationen für den Job aufzählen“, rät Püttjer. Sollte der Arbeitgeber wieder reserviert reagieren, ist auch ein zweites Mal Sturheit erlaubt. Dann sollte der Bewerber das Gespräch auf variable Bestandteile des Gehalts lenken, wie zum Beispiel Sonderzahlungen, Dienstwagen oder Übernahme von Telefonkosten. In vielen Fällen ist es einfacher solche Vereinbarungen zu treffen, als ein höheres monatliches Fixgehalt zu bekommen. „Erst wenn dann erneut eine Absage kommt, sollte man Verständnis zeigen und sich Bedenkzeit erbeten“, sagt Püttjer.

Einen Überblick über die aktuellen Gehälter verschafft man sich am Besten im Internet. „Dort findet man regionale Aufschlüsselungen, die Zahlen sind aktuell und auch Tarifverträge sind abrufbar“, sagt Püttjer. Bei Gehaltstabellen von großen Unternehmensberatungen rät er zur Vorsicht: „Für die sind solche Statistiken ein Marketinginstrument und die Angaben sind in der Regel zu hoch angesetzt.“ Bessere Quellen sind Unternehmen, die gerade nach Bewerbern suchen, oder deren Konkurrenz.

Für Wirtschaftsinformatiker Christian kam der erste Arbeitstag schneller als gedacht. Sogar so schnell, dass er eine geplante Reise kurzfristig abgesagt hat. „Aber, was tut man nicht alles für den Aufschwung“, sagt er.
Urlaub im XXL-Format
Mitarbeiter im Sabbatjahr können zumindest in großen Firmen auf Programme für den Wiedereinstieg zählen

Gespannt wie an ihrem ersten Arbeitstag kehrte Els de Ridder Anfang Mai an ihren Arbeitsplatz bei BMW zurück. Die studierte Luft- und Raumfahrttechnikerin entwickelt für den Münchner Konzern Sportwagen-Bauteile und testet sie im Windkanal. Aber vor zwei Monaten stand nicht der neueste Spoiler im Mittelpunkt des Interesses, sondern sie selber. Denn das erste Mal seit einem halben Jahr traf sie ihre Kollegen wieder.
"Alle waren enthusiastisch, wollten Bilder sehen und Geschichten hören", sagt Ridder. Sechs Monate war die Belgierin in der Welt unterwegs gewesen: Brasilien, Thailand und Vietnam waren nur einige ihrer Stationen. "Als ein größeres Projekt abgeschlossen war, habe ich mir gedacht: jetzt oder nie", erzählt sie. Und startete im November letzten Jahres in ihr Sabbatical. Das Wort, das in der Arbeitswelt einen mehrmonatigen, bezahlten Urlaub meint, leitet sich von dem hebräischen Sabbatjahr ab. Nach der Tora soll ein Bauer nach sechs Jahren eine Ruhephase im Bestellen der Felder einlegen, um die Regeneration des Bodens zu unterstützen.

Die Weltreisende Els de Ridder ist eine von mehr als 7000 BMW-Beschäftigten, die seit der Einführung des hauseigenen Sabbatical-Programms 1994 einen XXL-Urlaub genommen haben. "Die Auszeiten unserer Mitarbeiter dauern im Schnitt 2,5 Monate", sagt BMW-Sprecherin Heike Stegert. Sie werden über eine Kürzung der Jahressonderzahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld finanziert. Auch Erfolgsbeteiligungen werden gekürzt, um den Freizeitblock zu finanzieren. Der Vorteil: Das Gehalt wird trotz Abwesenheit weitergezahlt.

Beruflich zurückgeworfen hat Ridder das halbe Jahr nicht. "Es gab zwar in der Zeit meiner Abwesenehit eine Umstrukturierung, aber die Teamleiter und Kollegen kannte ich trotzdem noch. Nach wenigen Tagen war ich wieder im normalen Tritt", sagt Ridder.

Bei einem klassischen Sabbatical nutzt der Arbeitnehmer seine freie Zeit zur Regeneration. Aber inzwischen kommen auch andere Varianten ins Spiel. Viele Auszeitler verbringen die stressfreien Monate mit der Familie. Andere kümmern sich um den Hausbau oder machen eine Weiterbildung.

"Zunächst sollte man mit seinem direkten Vorgesetzten über den Wunsch nach einem Sabbatical sprechen", sagt Barbara Siemers, die für ihre sozialwissenschaftliche Dissertation mehr als hundert Auszeitler befragt hat. Schließlich sei es der Vorgesetzte, der die Veränderungen am Arbeitsplatz planen und umsetzen muss. Die Personalabteilung spielt erst später bei den Formalia eine Rolle. "Es ist immer sinnvoll, dem Vorgesetzten gute Vorschläge zu machen, wie die Arbeit während der Auszeit umverteilt werden kann", rät Siemers. Außerdem sollte man auf jeden Fall kompromissbereit in die Verhandlungen gehen und frühzeitig mit der Planung beginnen. Auch die Kollegen sollten eingeweiht werden, damit sie sich auf die nötigen Veränderungen einstellen und sie aktiv begleiten können.

Angst vor einem Karriereknick muss ein Sabbatical-Nehmer nicht haben. Die Pause kann sogar sinnvoll sein, wenn man einen Karrieresprung wagen will und die freie Zeit für eine Fortbildung nutzt. "So wird das Sabbatical zu einer Chance für alle Beteiligten", sagt Siemers. Aber selbst ohne neuen Lern-Input gilt: Der Auszeitler kommt mit neuen Eindrücken in die Firma zurück und kann wichtige Impulse geben.

Ein Modell zur Finanzierung der Auszeit ist inzwischen am weitesten verbreitet: Vor dem Sabbatical verzichtet der Auszeitler auf einen Teil des Gehalts, arbeitet aber Vollzeit weiter. Während der freien Zeit wird dann das reduzierte Einkommen weitergezahlt. "Grundsätzlich eignen sich solche Teilzeitmodelle gut für ein Sabbatical", sagt Siemers. Das Ansparen von Überstunden ist eher für kürzere Freistellungen geeignet. Der Wiedereinstieg in den Beruf sollte genauso klar geregelt sein wie die finanziellen Aspekte. "Der Vorteil ist, dass man vorab kalkulieren kann", sagt Siemers. Das finanzielle Risiko lässt sich leicht abschätzen, und auch die Rentenabschläge können im Vorfeld durchgerechnet werden.

Bei Siemens gibt es ein solches Teilzeitmodell schon seit einigen Jahren. Eingeführt hat es der frühere Vorstandschef Heinrich von Pierer. Der Mitarbeiter, der ein Sabbatical plant, bekommt einen neuen Arbeitsvertrag, der die Modalitäten klar regelt: "Darin ist festgelegt, dass den Mitarbeitern während der Auszeit mindestens 70 Prozent ihres Gehalts zur Verfügung stehen", sagt Siemens-Sprecher Marc Langendorf.

Doch in der Regel bleibt dem Auszeitler deutlich mehr Lohn als dieser Mindestsatz. Denn der Sabbatical-Vertrag beinhaltet einen Sparplan. Je länger dieser läuft, desto mehr Lohn bleibt dem Auszeitler während der Vertragslaufzeit. Geht der Vertrag über zwei Jahre und der Mitarbeiter möchte zwei Monate aussteigen, bekommt er mehr als 90 Prozent des Lohns. Bei einer Laufzeit von nur zwölf Monaten sind es immerhin noch 83 Prozent. "Überwiegend neigen die Leute dazu, das Gehalt moderat zu kürzen und sparen eher länger", sagt Expertin Siemers.


Trotz der steigenden Anzahl an Sabbatical-Nehmern sind lange Auszeiten in Deutschland noch eine Ausnahmeerscheinung. "In ungefähr drei Prozent der großen und mittelständischen Unternehmen in Deutschland gibt es bisher solche Sabbatical-Programme", sagt Siemers. Doch in den letzten Jahren beobachtet sie den Trend, dass Unternehmen immer offener für die verschiedenen Auszeit-Modelle werden. "Besonders in Kreativberufen und bei Unternehmensberatungen sind Sabbaticals schon heute keine Seltenheit mehr", sagt Siemers.

Bei Risikomanagerin Tanja Dierkes laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Im Sommer startet die Mitarbeiterin der Unternehmensberatung McKinsey zu einer Radtour von Santiago de Chile nach Feuerland. Danach stehen noch Neuseeland und Thailand auf dem Programm. "Mit dieser Reise erfülle ich mir einen Traum", sagt Dierkes. Zwar muss sie auf ihr Gehalt verzichten, aber der Wiedereinstieg in den Beruf ist klar geregelt: "Da wir Projektarbeit machen, ist es relativ einfach möglich auszusteigen. Zwischen zwei Projekten vermisst mich niemand", sagt Dierkes. Kämpfen musste sie um die Auszeit nicht. Zwar gibt es bei McKinsey kein festes Sabbatical-Programm, aber umso eher sind die Vorgesetzten zu individuellen Vereinbarungen bereit. Wenn sie zurückkommt, wird das nächste Arbeits-Projekt auf sie warten. Und die Fragen der Kollegen nach Geschichten und Bildern der Reise.
Der Wert meiner Arbeit
Wie Bewerber die schwierige Frage nach ihren Gehaltsvorstellungen beantworten sollten

Marcel Wimmer (Name geändert) ist im Stress. Noch vorm Wochenende will der Politologe eine Bewerbung vollenden und per E-Mail versenden. Schließlich endet die Bewerbungsfrist für den Job als Politikberater bei einem großen Verband in wenigen Tagen. Doch jetzt ist er ins Stocken geraten. Schuld daran ist ein kleine Zeile am Ende der Stellenausschreibung: "Bitte bewerben Sie sich unter Angabe Ihrer Gehaltsvorstellung." Es ist das erste Mal, dass er sich mit dieser Frage beschäftigen muss. "Ich habe mir zwar einen Bewerbungs-Ratgeber gekauft, aber der hilft mir jetzt auch nicht viel weiter", sagt Wimmer.
Bewerber landen immer wieder in derselben Zwickmühle: Fordert man zu wenig Gehalt vom neuen Arbeitgeber, verkauft man sich unter Wert. Ist die Gehaltsforderung zu hoch, ist die Absage schon so gut wie unterwegs. Selbst bei Bewerbungs-Experten gehen die Meinungen zur gefürchteten Gehaltsfrage weit auseinander.

Fest steht nur eines: "Wird nach den Gehaltsvorstellungen gefragt, darf man diese Frage auf keinen Fall ignorieren", sagt Jürgen Bühler, Sprecher und Personalberater bei Alma Mater. Die Stuttgarter Beratungsfirma hat sich auf Jobvermittlung und Coaching des akademischen Nachwuchses spezialisiert und veröffentlicht regelmäßig einen Gehaltsreport. Diese Statistik ist eine von vielen Möglichkeiten, an denen sich Berufseinsteiger wie Wimmer orientieren können.

Bei der Suche nach einer Antwort auf die Gehaltsfrage ist vor allem das Internet Gold wert. "Dort findet man regionale Aufschlüsselungen, die Zahlen sind aktuell, und auch Tarifverträge sind abrufbar", sagt Christian Püttjer, Autor zahlreicher Bewerbungs-Ratgeber. Bei den Gehaltstabellen von großen Unternehmensberatungen sei aber Vorsicht angebracht. "Für die sind solche Statistiken ein Marketing-Instrument, und die Angaben sind in der Regel zu hoch angesetzt", sagt Püttjer. Bessere Quellen sind Unternehmen, die gerade nach Bewerbern suchen, oder deren Konkurrenz. Oft stellen die Firmen Jobprofile ins Internet, bei denen einzelne Mitarbeiter exemplarisch für einen Geschäftsbereich vorgestellt werden. Meist steht dort auch ein Hinweis zum Gehalt.

Konkrete Zahlen zu nennen, ist ein Muss. "Gibt man eine Gehaltsspanne an, kann man davon ausgehen, dass die Verhandlungen am unteren Ende beginnen", sagt Püttjer. Die Angabe sollte keine zentrale Position im Bewerbungsanschreiben einnehmen, sondern kurz und knapp am Ende genannt werden.

Zu hoch darf die Gehaltsforderung auf keinen Fall sein. Denn Personalmanager der Unternehmen stellen die Frage nach dem Geld, um zu überprüfen, ob der Kandidat in das Gehaltsprofil des Unternehmens passt. "Auf dieser Basis unterbreiten wir einen Gehaltsvorschlag für die zu besetzende Stelle", sagt Gabriele Fluck, Leiterin des Personalmanagements bei Galeria-Kaufhof. Sind die Forderungen des Bewerbers zu hoch, spart sich das Unternehmen gleich die Reisekosten des Kandidaten zum Auswahlgespräch.

"Es gibt Bewerber, die wollen durch eine hohe Gehaltsforderung den starken Verhandlungspartner mimen", sagt Berater Bühler. Das ist aber nur in den seltensten Fällen angebracht. Um das Gehalt zu pokern, sollten sich nur hochqualifizierte Bewerber leisten, deren Zusatzqualifikationen ideal zu der ausgeschriebenen Stelle passen. In der Regel sind das nur Fachleute mit langer Berufserfahrung.
Die Personaler können anhand der Gehaltsvorstellungen so einiges über den Kandidaten herausfinden. "Besonders bei Berufseinsteigern sagt der Gehaltswunsch etwas darüber aus, wie intensiv sich der Bewerber für die Stelle interessiert und wie seine Selbsteinschätzung ist", sagt Alexandra Retzlaff, die bei der Personalberatungsfirma HR Factory Bewerber coacht und Headhunting für verschiedene internationale Konzerne betreibt. Wer eine passende Antwort gibt, hat sich offensichtlich Gedanken und Mühe gemacht - und das gefällt dem potentiellen Chef.

Möchte man trotz gründlicher Recherche keinen konkreten Gehaltswunsch äußern, kann man die Frage zur Not elegant umschiffen: "Meine Gehaltsvorstellungen messen sich an meinem momentanen Gehalt", ist eine Formel, mit der man sich nicht festlegt.
Wer sich sein Wunschgehalt zusammenrechnet, sollte an alles denken. Das gilt besonders für diejenigen, die sich aus einer Festanstellung auf eine neue Stelle bewerben. "Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, das 13. Gehalt und alle Zusatzleistungen, die man an seiner alten Arbeitsstelle bekommen hat, sollten berücksichtigt werden", rät Ratgeberautor Püttjer. Ist der neue Arbeitsplatz in einer anderen Region, ist auch das dortige Mietniveau von Bedeutung. Generell ist mit einem Arbeitsplatzwechsel eine Aufbesserung der Einkünfte möglich. "15 bis 20 Prozent mehr Gehalt sind drin, aber kein Muss", sagt Püttjer.

Die Gehaltsfrage selber auf den Tisch zu bringen, ist streng verboten. Das gilt besonders für das Vorstellungsgespräch. Nur in extremen Fällen, wenn selbst bei einem zweiten Gespräch das Gehalt noch nicht zur Sprache gekommen ist, sollte der Job-Kandidat die Initiative ergreifen: "Wenn man erst bei den endgültigen Vertragsverhandlungen über das Gehalt spricht, sind zu viele Leute beteiligt", sagt Püttjer. Dann wird es schwer, noch an der Gehaltsschraube zu drehen.

Wird der Gehaltswunsch im Gespräch strikt abgelehnt, sollte man sich vorher eine Taktik zurechtgelegt haben. "In diesem Fall kann man sich zunächst stur stellen und erneut seine Qualifikationen für den Job aufzählen", rät Püttjer. Sollte der Arbeitgeber erneut reserviert reagieren, ist auch ein zweites Mal Sturheit erlaubt. Dann sollte der Bewerber das Gespräch auf variable Bestandteile des Gehalts lenken, wie zum Beispiel Sonderzahlungen, Dienstwagen oder Übernahme von Telefonkosten. In vielen Fällen ist es einfacher, solche Vereinbarungen zu treffen, als ein höheres monatliches Fixgehalt zu bekommen. "Erst wenn dann erneut eine Absage kommt, sollte man Verständnis zeigen und sich Bedenkzeit erbeten", sagt Püttjer.

Der angehende Politikberater Wimmer hat nach einigem Grübeln eine ganz andere Lösung für sein Problem mit der Gehaltsfrage gefunden. Ein ehemaliger Studienfreund hat bereits eine ähnliche Stelle. Von ihm hat er brauchbare Hintergrundinformationen zum Gehaltsniveau in der Branche bekommen. "Noch habe ich zwar keine Antwort auf meine Bewerbung", sagt er, "aber an der Frage nach meinem Wunschgehalt dürfte die Sache nicht scheitern."
Ende einer Dienstfahrt
Führungskräften fällt der Weg in den Ruhestand oft schwer. Coaching und Ehrenämter helfen beim Ausstieg.

In einer kalten Herbstnacht macht sich Neu-Ruheständler Klaus Kinkel auf den Weg in seinen Wahlkreis. Es ist eine seiner ersten Reisen ohne Dienstwagen und Chauffeur. Er nimmt die Bahn, einen ICE. Nur zweimal umsteigen, und das Ziel wäre erreicht. Kein Problem, sollte man meinen. Doch es kommt anders. Beim ersten Zugwechsel sucht der Ex-Außenminister verzweifelt nach einer Klinke, um die Zugtür zu öffnen. Er scheitert. Als der ICE wieder anfährt, steht er immer noch im Waggon. Dass sich Zugtüren inzwischen auf Knopfdruck öffnen, wusste er nicht.
"Das werde ich nie vergessen", kommentiert Kinkel seine Panne später in einem Fernsehinterview. Doch Erlebnisse wie dieses sind keine Seltenheit. "Es gibt Manager, die können weder eine SMS mit ihrem eigenen Handy noch eine E-Mail mit dem Foto ihres Enkelkindes versenden", sagt Eberhard von Rundstedt, Chef der gleichnamigen Beratungsagentur. Seit mehr als 20 Jahren berät seine Firma Führungskräfte auf ihrem Weg in den Ruhestand. Der Geschäftsführer kennt die Probleme von Top-Verdienern aus den unterschiedlichsten Branchen. Denn die haben häufig - dank jahrelanger Unterstützung von Assistenten und Sekretärinnen - das verlernt, was für andere alltäglich ist.

Outplacement-Agenturen arbeiten eigentlich im Auftrag von Unternehmen und kümmern sich darum, für entlassene Mitarbeiter einen neuen Job zu finden. Doch neuerdings lassen sich auch angehende Pensionäre von ihnen coachen. Ob der 45-jährige PR-Berater eine neue Herausforderung im Beruf oder der 62-jährige Pensionär eine sinnvolle Beschäftigung im Ruhestand sucht: "Von der Fragestellung und Technik, wie man Menschen hilft, ist die Arbeit sehr ähnlich", sagt Berater Rundstedt.

Politiker oder Top-Manager sind nicht die einzigen, denen die Veränderungen zu Beginn des Ruhestands zu schaffen machen. Es trifft auch hoch engagierte Angestellte, meist aus technischen Berufen, die fast ausschließlich für ihren Job lebten. Oft fehlt ihnen das private Netzwerk mit guten Kontakten. Noch dramatischer kann es für die Menschen werden, die einen repräsentativen Posten im Berufsleben hatten. "Sobald sie im Ruhestand sind, merken sie, dass sie von den Einladungslisten von Empfängen und Feiern gestrichen werden, weil das Interesse an ihnen nachlässt", sagt Rundstedt. Denn das galt in erster Linie der Funktion und nicht ihrer Person.

Deswegen ist es wichtig, den eigenen Ruhestand zu planen. "Am Anfang der Beratung machen wir eine Lebens-Bestandsaufnahme", sagt der Berater. Neben Hobbys und Träumen besprechen die Coaches mit den Jung-Pensionären auch deren Posten in Aufsichtsräten, Fördervereinen oder wohltätigen Organisationen. Anschließend überlegen sie gemeinsam, welche der Aufgaben auch im Ruhestand noch interessant und möglich sind. "Das private Netzwerk mit Kontakten der Klienten ist eine große Hilfe", so Rundstedt. Denn so lässt sich schnell herausfinden, wo die Mitarbeit und Hilfe des Rentners auch gewollt ist. Enttäuschungen können vermieden werden.

Die Outplacement-Konzepte und das persönliche Coaching für Pensionäre haben ihren Ursprung in den USA. Dort ist eine berufliche Neuorientierung während des aktiven Berufslebens nichts Ungewöhnliches, und auch den Ruhestand planen die Amerikaner gezielt. Der Grund liegt auf der Hand: In vielen Firmen gibt es eine klar festgeschriebene Altersgrenze. In großen Anwaltskanzleien ist beispielsweise für die Partner mit Anfang 60 definitiv Schluss.

Sigismund von Dobschütz denkt gar nicht daran, sich zur Ruhe zu setzen. Auch wenn der 58-jährige Betriebswirt seinen Job als Kurdirektor von Bad Kissingen hinter sich gelassen hat, sucht er neue Herausforderungen. Gerade ist er aus Nepal zurückgekehrt. Dort hat er ehrenamtlich die Vorbereitungen zur Gründung eines Tourismusverbands für den Chitwan-Nationalpark unterstützt.

Vermittelt hat den Auftrag der Senior Experten Service (SES) in Bonn. Die Stiftung schickt Spezialisten mit den unterschiedlichsten Berufsbiografien und aus ganz Deutschland zu Projekten ins Ausland - meist in Entwicklungsländer in Afrika und Asien. Dort helfen die Senior-Experten beispielsweise dabei, eine Mülldeponie zu sanieren, die Arbeitssicherheit in einer Verpackungsfirma zu erhöhen oder ein von der Schließung bedrohtes Ausbildungszentrum für Handwerker zu retten. "Besonders gefragt sind zur Zeit Handwerksmeister, Mediziner und Spezialisten im Maschinenbau", sagt SES-Geschäftsführerin Susanne Nonnen. In den ersten Monaten des Jahres wurden schon mehr als 400 Einsätze begonnen oder abgeschlossen.

Für die Registrierung beim SES sind besonders die letzten zehn Berufsjahre interessant. Das aktive Erwerbsleben sollte nicht länger als fünf Jahre zurückliegen. Die Kosten für die Einsätze übernimmt die Stiftung. Aber auch die ausländischen Firmen oder Institutionen, die den Rat der deutschen Experten anfragen, müssen sich an den Kosten beteiligen. Die Einsätze dauern in der Regel nur ein paar Wochen. "Unsere Experten dürfen keine Bauleitung oder ähnliches übernehmen und den Einheimischen Arbeitsplätze wegnehmen", sagt Nonnen.

Auch immer mehr deutsche Unternehmen sind an der Unterstützung durch Senioren interessiert. "Viele Firmen wünschen sich den Rat externer Experten", sagt Nonnen. Die seien neutral, und da sie aus der Branche kommen, kennen sie die Abläufe in den Firmen genau.

Für Dobschütz war die Reise nach Nepal bereits der fünfte Einsatz für den SES innerhalb eines Jahres. "Das Interessante an dieser Arbeit ist, dass man ganz neue Erfahrungen macht", sagt der Tourismusexperte. Man reise nicht wie ein Tourist von Hotel zu Hotel, sondern sei zu Gast bei einheimischen Familien. Die Aufträge seien zudem so unterschiedlich, dass sie einen immer wieder herausforderten. Das Angebot für den nächsten Einsatz hat er schon auf dem Schreibtisch. Ende des Jahres könnte er nach Bolivien starten. Dort soll er ein kleines Tourismus-Unternehmen beraten.

Ein bestimmter Typ von Führungskraft hat generell weniger Probleme mit dem Ruhestand: Frauen. "Schon während des Berufslebens spielen sie oft eine Doppelrolle und managen nebenbei das Sozialleben der Familie", sagt Coaching-Experte Rundstedt. Frauen wüssten besser, dass es auch ein Leben neben dem Beruf gebe. Und sie könnten zwei Dinge gleichzeitig erledigen - beides Fähigkeiten, die ihnen dann auch im Ruhestand zugute kommen.
Sparbücher sind tabu
Erste Produkte für Muslime kommen auf den Markt / Anbieter müssen das Zinsverbot beachten

Die Bank-Filiale sieht aus wie jede andere: Blaue Ausstattung, Licht durchflutete Räume, moderne Einrichtung. Erst, wenn der Finanzberater statt Kaffee plötzlich ein Glas Tee reicht, ist der kleine Unterschied zu spüren.„Bankamiz“ übersetzt „Unsere Bank“ heißt das Projekt mit dem die Deutsche Bank gezielt Türken ansprechen will. Die Berater sprechen Türkisch, selbst die Anträge zur Kontoeröffnung sind zweisprachig. In 13 Filialen läuft der Betrieb seit einem halben Jahr.
Doch ein anderes Auftreten nach außen reicht nicht – muslimische Kunden haben auch besondere Ansprüche an die Finanzprodukte. Das islamische Rechtssystem macht den Gläubigen strikte Vorgaben. Besonders wichtig ist das Zinsverbot, „Riba“. Gläubigen ist es strikt untersagt, Zinsen zu zahlen oder selber durch Verzinsungen Geld zu verdienen. Damit scheiden für gläubige Muslime konventionelle Produkte wie Sparbücher, Kredite oder Festgeld aus.

In der muslimischen Welt haben sich jedoch viele Praktiken etabliert, um das Verbot zu umgehen. Beim Hauskauf beispielsweise gewährt die Bank den Muslimen keinen Kredit, sondern fungiert als Zwischenhändler: Die Bank kauft die Immobilie und verkauft sie zu einem Aufpreis an den Kunden weiter. Der zahlt dann den Kaufpreis in Raten an die Bank zurück – die Zinsen sind im Aufpreis versteckt. Auch bei Firmengründungen können Muslime auf diese Konstruktion zurückgreifen.

Das muslimische Recht schreibt zusätzlich ein Spekulationsverbot sowie verschiedene ethische und soziale Kriterien vor. Bankmanager müssen also beim Auflegen von Fonds darauf zu achten, dass nur Aktien von Unternehmen aufgenommen werden, die weder mit Alkohol noch mit Schweinefleisch handeln. Die Anlage-Experten holen sich oft fachlichen Rat bei islamischen Rechtsgelehrten, die auch bestimmte Produkte zertifizieren.

„Es gibt durchaus eine große Nachfrage von Muslimen in Deutschland, aber einfach zu wenig Angebote“, beschreibt der selbstständige Bankenberater Michael Gassner die Situation. Die Muslime treibt das in einen Glaubenkonflikt: „Aus Mangel an Alternativen können viele Muslime das Zinsverbot des Korans nicht befolgen“, sagt Gassner. Rund 50 Prozent der Türken in Deutschland lassen ihr Geld bei der Sparkasse liegen – doch oft mit einem schlechten Gewissen.

Noch sind die Produkte auf dem Deutschen Finanzmarkt gut versteckt. Die Deutsche Bank selber hat Anfang des Jahres als erstes Institut einen Publikums-Fond aufgelegt, der sich an die Regeln des islamischen Finanzsystems hält. Auch Aktienzertifikate, die an der Frankfurter Börse gehandelt werden, hat die Bank im Programm. Mit dem „Noriba Global Equities“ hat auch die UBS Bank einen Islam-Fond im Angebot, der in Deutschland lizensiert ist.

„Unsere islamischen Produkte laufen sehr gut, aber wir bemerken in Deutschland noch eine sehr geringe Nachfrage“, sagt Deutsche-Bank-Sprecherin Kirsten Siersleben. Bisher bewirbt die Bank ihre islamischen Produkte allerdings kaum. Die Kunden für die Produkte kommen zum Großteil aus den Golf-Staaten und den Emiraten.

Für wohlhabende Anleger bleibt als Alternative nur der Gang ins Ausland. Besonders in Großbritannien haben westliche Institute wie HSBC die Geldanlage für Muslime als Umsatzbringer erkannt. Sogar rein islamische Banken wie die „Islamic Bank of Britain“ gibt es auf der Insel. Allerdings sind die Geschäfte dort nur für wenige Muslime möglich, da oftmals hohe Summen angelegt werden müssen. Außerdem sind die Anlagen im Ausland nicht ohne Risiko: „Nicht überall gibt es eine Einlagensicherung, die mit den hohen deutschen Standards zu vergleichen ist“, warnt Kilian Bälz, der sich als Islamwissenschaftler und Rechtsanwalt vor allem auf die Beratung islamischer Investoren spezialisiert hat. Diese Angebote sind daher nur etwas für sachkundige Privatanleger.

Noch sind die Angebote für Muslime nur ein Nischenmarkt. Doch immerhin 300 Milliarden Dollar weltweit werden Schätzungen zufolge nach den Regeln des islamischen Rechts angelegt. Besonders interessant für westliche Banken ist das prognostizierte jährliche Wachstum diese Marktes von 15%. Auch innerhalb Deutschlands steckt dabei viel Potential, denn hier leben rund 3,5 Millionen Menschen muslimischen Glaubens. „Der Glaube und damit das Zinsverbot spielen eine zunehmende Rolle“, sagt Islamwissenschaftler Bälz. Berater Gassner rechnet damit, dass sich in den kommenden Jahren noch einiges tun wird: „Die Bank, die zuerst in Deutschland ein umfangreiches scharia-gerechtes Angebot auf den Markt bringt, wird sehr viele Kunden an sich binden.“

Zudem beobachtet Gassner einen neuen Trend: Vor allem Türken haben Garagen für Autos, in denen sie Stellplätze vermieten, als echte Investment-Alternative entdeckt. Das Konzept ist simpel: „Der Kaufpreis einer Garage ist verhältnismäßig günstig, man braucht dafür keinen Kredit aufzunehmen und die Rendite ist ordentlich“, so Gassner. Inzwischen sei das Geschäft mit Kleinimmobilien vor allem beliebt, um für das Alter vorzusorgen. Auch das Risiko ist einigermaßen überschaubar, denn Parkraum ist nicht nur in Großstädten knapp. Zudem lassen sich Garagen unproblematischer vermieten als Wohnungen. Und mit dem islamischen Recht gibt es bei diesem Konzept auch keinen Konflikt.