Das liebe, das große Geld
Die Wirtschaft boomt - da kann man doch mit viel Selbstbewusstein in die Gehaltsver- handlung gehen, oder? Wie Experten das Gehaltsniveau für Einsteiger einschätzen und welche Gesprächstaktik sie empfehlen

Alle reißen sich um Wirtschaftsinformatiker, auch um Christian - und das ausgerechnet bei der Suche nach seinem ersten Job. "Ich habe schon damit gerechnet, eine Stelle zu bekommen. Aber dass ich so viele Angebote kriege, hätte ich nie gedacht", sagt der 27-Jährige, der gerade sein Studium abgeschlossen hat. Eigentlich hatte er sich auf eine lange und anstrengende Bewerbungsphase eingestellt. Aber dass die nun schon nach wenigen Wochen wieder vorbei ist, hätte er sich nicht träumen lassen.
Dank anziehender Konjunktur geht es zurzeit vielen Absolventen so wie Christian. "Das Tal der Tränen ist durchschritten", sagt Jürgen Bühler von der Personalberatung Alma Mater. Die Stuttgarter Firma hat sich auf die Vermittlung von akademischem Nachwuchs spezialisiert. Nach den Hungerjahren 2003 und 2004, in denen es Berufseinsteiger besonders schwer hatten, eine gut bezahlte Stelle zu finden, registrieren Bühler und Kollegen reichlich Bewegung am Arbeitsmarkt. "Besonders in den letzten drei Monaten merkt man deutlich, dass sich was tut", sagt Bühler. Manche Personaler greifen sogar schon zu ungewöhnlichen Mitteln, um die besten Kandidaten vom übersichtlicher werdenden Bewerbermarkt zu fischen.

"Ein ganzer Goldbarren wurde einer Kundin als Prämie angeboten, damit sie einen Job annimmt", sagt Christian Püttjer, Coach und Autor zahlreicher Bewerbungs-Ratgeber. Solche glänzenden Entscheidungshilfen sind zwar die Ausnahme. Dennoch gibt es einige Branchen, in denen die Firmen unter Zugzwang stehen und händeringend nach neuen Mitarbeitern suchen.

Besonders begehrt sind Informatiker, Elektrotechniker und Maschinenbauer. Daher profitieren sie auch am meisten von den aktuellen Gehaltssteigerungen. "Der Bewerbermarkt ist hier regelrecht abgegrast", sagt Berater Bühler. Immer mehr Firmen, die bisher selber den Nachwuchs gesucht haben, gehen schon dazu über, diese Arbeit von Profis erledigen zu lassen. Die eigenen Personalabteilungen schaffen es nicht mehr, genügend qualifizierte Bewerber zu generieren.

Immer noch schwer haben es noch Betriebswirte, die sich etwa auf den Bereich Marketing spezialisiert haben. Sie profitieren derzeit noch wenig von der anziehenden Konjunktur. Ebenso ergeht es Absolventen geisteswissenschaftlicher Studiengänge. Bis der positive Trend auch die Branchen erreicht, die für Geisteswissenschaftler interessant sind, müssen sie sich noch gedulden. „Firmen neigen dazu, erst einmal selber Geld zu verdienen“, sagt Autor Püttjer. Da dauert es, bis sie auch etwas an die Mitarbeiter weitergeben.

Dennoch: Insgesamt steigen die Gehälter von Berufsanfänger stetig. Laut personalmarkt.de sind in den vergangenen zwei Jahren vor allem die Gehälter junger Mediziner und Ingenieure höher geworden. Jura-Einsteiger verdienen in diesem Jahr mit einem Durchschnittseinkommen von fast 42.000 Euro am meisten. Doch von den jüngsten Gehaltsrunden profitieren sie, genau wie die Geisteswissenschaftler, erst einmal nicht.

Die Voraussetzungen für gelungene Gehaltsverhandlungen muss trotz Aufschwung immer noch jeder selber schaffen. Denn die Erwartungen und Ansprüche der Firmen sind nicht geringer geworden. Durch verschiedene Praktika oder freiberufliche Arbeit neben dem Studium lassen sich die eigenen Chancen am besten aufbessern. „Ein Abschluss an einer Elite-Uni bringt im Zweifel nicht viel“, sagt Berater Bühler. „Auch der normale Student hat gute Chancen, wenn seine Qualifikationen auf das passen, was gesucht wird.“ In falscher Sicherheit sollte sich also kein Jobeinsteiger wähnen. Allerdings wird Fleiß heute wieder belohnt. Gerade für Studenten, die kurz vor dem Abschuss stehen, gilt: „Die Bereitschaft der Firmen, Praktikanten als Angestellte zu übernehmen, ist gestiegen“, sagt Püttjer. Das belegen auch Studien.

Wer mehrere Angebote auf dem Tisch hat, kann pokern. „Es ist im Bewerbungsgespräch erlaubt zu sagen, dass auch andere Firmen Interesse an einem haben“, sagt Püttjer. Reagiert der Personaler distanziert oder ignoriert er den Hinweis auf die Konkurrenz, sollte man das Gespräch schnell wieder auf seine Qualifikationen lenken.

Die Gehaltsfrage bei einem Bewerbungsgespräch selber auf den Tisch zu bringen ist allerdings streng verboten. Nur in extremen Fällen, wenn selbst bei einem zweiten Gespräch das Gehalt noch nicht zur Sprache gekommen ist, sollte der Job-Kandidat die Initiative ergreifen: „Wenn man erst bei den endgültigen Vertragsverhandlungen über das Gehalt spricht, sind zu viele Leute beteiligt“, sagt Püttjer. Dann wird es schwer noch an der Gehaltsschraube zu drehen.

Übertriebenen Ehrgeizig muss man vor den Gehaltsverhandlungen ablegen. Dennoch sollte man sich vor dem Gespräch eine Taktik zurechtgelegt haben, falls die eigenen Gehaltsvorstellungen vom Arbeitgeber strikt abgelehnt werden. „In diesem Fall kann man sich zunächst stur stellen und erneut seine Qualifikationen für den Job aufzählen“, rät Püttjer. Sollte der Arbeitgeber wieder reserviert reagieren, ist auch ein zweites Mal Sturheit erlaubt. Dann sollte der Bewerber das Gespräch auf variable Bestandteile des Gehalts lenken, wie zum Beispiel Sonderzahlungen, Dienstwagen oder Übernahme von Telefonkosten. In vielen Fällen ist es einfacher solche Vereinbarungen zu treffen, als ein höheres monatliches Fixgehalt zu bekommen. „Erst wenn dann erneut eine Absage kommt, sollte man Verständnis zeigen und sich Bedenkzeit erbeten“, sagt Püttjer.

Einen Überblick über die aktuellen Gehälter verschafft man sich am Besten im Internet. „Dort findet man regionale Aufschlüsselungen, die Zahlen sind aktuell und auch Tarifverträge sind abrufbar“, sagt Püttjer. Bei Gehaltstabellen von großen Unternehmensberatungen rät er zur Vorsicht: „Für die sind solche Statistiken ein Marketinginstrument und die Angaben sind in der Regel zu hoch angesetzt.“ Bessere Quellen sind Unternehmen, die gerade nach Bewerbern suchen, oder deren Konkurrenz.

Für Wirtschaftsinformatiker Christian kam der erste Arbeitstag schneller als gedacht. Sogar so schnell, dass er eine geplante Reise kurzfristig abgesagt hat. „Aber, was tut man nicht alles für den Aufschwung“, sagt er.