Wittke mauert gegen Brummi Maut
Bundesstraßen in NRW bleiben für LKW Maut-freie Zone, obwohl Verkehrsminister Oliver Wittke (CDU) zugibt, dass der Verkehr seit der Mauteinführung stellenweise stark gestiegen ist. Dafür sperrt er jetzt zwei überlastete Straßen

von Stephan Große

DÜSSELDORF - Verkehrsminister Oliver Wittke (CDU) will auch in Zukunft keine LKW-Maut auf Bundesstraßen einführen. "Es interessiert uns nicht, ob wir noch stark befahrene Straßen melden können", sagte Stephan Heuschen, Sprecher des NRW Verkehrsministeriums, gestern zur taz. Zwar sei mit der Mauteinführung Anfang 2005 die Belastung vieler Straßen in die Höhe geschnellt. Inzwischen habe sich die Lage aber deutlich entspannt, so Heuschen. Zudem würden die Fahrer auch der neuen Gebühr aus dem Weg gehen und noch kleinere Nebenstraßen nutzen, argumentierte er.
Die EU hatte dem Bundesverkehrsministerium Anfang der Woche grünes Licht gegeben, um gegen den Laster-Verkehr vorzugehen. Auf insgesamt drei Bundesstraßen soll ab Anfang 2007 die Maut kassiert werden. Die Zunahme des Verkehrs auf zahlreichen Bundesstraßen nach Einführung der LKW-Maut auf Autobahnen wird auch von einer Studie des Bundes bestätigt. Für NRW beruht sie auf den Messdaten von über 280 Zählstellen. Besonders die B 51 in Köln und die Bundesstraße 1 in Dortmund sind stärker befahren als zuvor. Gleiches gilt für die B 228 zwischen Krefeld und Duisburg. Die Folgen sind neben Lärmbelästigung der Anwohner auch mehr Feinstaub und Straßenschäden.

Doch obwohl Wittke die Lage in NRW als nicht dramatisch bewertet, lässt er nun bestimmte Straßen für Brummis sperren: die B 1 zwischen Werl und Paderborn und die B 68 zwischen Paderborn und der hessischen Landesgrenze. Die Kreise werden noch in diesem Jahr die Autobahnausfahrten, die auf die Bundesstraße führen, für die LKW dicht machen.

Die Grünen zeigen wenig Verständnis für die Politik des Ministers: "Es gibt 23 gleich und höher belastete Strecken in NRW als die, die Wittke nun sperren lässt", sagte der verkehrspolitische Sprecher der Grünen im Landtag, Oliver Keymis. Die Bürger sollten durch zusätzliche Mautstrecken umfassender vor dem Verkehr geschützt werden, fordert er: "Wittke sollte sich ein Beispiel an seinen Kollegen aus den anderen Bundesländern nehmen.". Bislang haben Schleswig-Holstein, Hamburg und Rheinland-Pfalz drei Straßen gemeldet und können dort nun die Maut einführen.

Auch Werner Reh, Verkehrsexperte des Bundes für Umwelt- und Naturschutz NRW (BUND), kann Wittke nicht verstehen und fordert langfristig die Einführung einer flächendeckenden LKW-Maut. "Warum werden Statistiken gemacht, eine Zunahme des Verkehrs registriert und nicht gehandelt?", fragt Reh.

Was nicht ist, kann noch werden: Die Landesregierung kann sich jederzeit mit dem Wunsch nach einer Maut auf Bundesstraßen an das Bundesministerium wenden.
EU dreht Gifthahn zu
Flüsse in NRW sind weiterhin mit schädlichen Tensiden belastet. Nun will die EU der Industrie verbieten, diese Chemikalien einzusetzen. Landesregierung und Wissenschaftler begrüßen Pläne

von Stephan Große und Gesa Schölgens

Sauerländische Behörden entdecken auf immer mehr Feldern giftige perfluorierte Tenside (PFT). Die schädlichen Stoffe gelangten auch in die Flüsse Ruhr und Möhne. Der Brüsseler Umweltausschuss hatte vergangene Woche ein EU-weites Verbot der Chemikalien beschlossen. Folgen Parlament und Ministerrat dem Votum, müssen PFT weitgehend aus der Produktion verschwinden. In großen Mengen sind PFT für Tiere krebserregend und erbgutschädigend. Sie stecken etwa in wasserabweisender Kleidung und Reinigungsmitteln.
Nach wie vor gibt es Spuren von PFT in Ruhr und Möhne. Im Sauerland gelangten die Chemikalien auch ins Trinkwasser. Die betroffene Stadt Arnsberg verteilt in einigen Stadtteilen weiterhin kostenloses Mineralwasser an Schwangere und Säuglinge. Seit vergangenen Freitag versuchen Mitarbeiter des Wasserwerkes, das Trinkwasser mit Aktivkohlefiltern zu reinigen. "Es gibt allerdings noch keine Erfahrungen, ob das in der Praxis funktioniert", sagt Ulrich Midderhoff, Geschäftsführer der Stadtwerke Arnsberg. An diesem Donnerstag sollen die ersten Ergebnisse vorliegen.

Ein Verbot könne solche Probleme vermeiden, sagt Peter Liese (CDU), EU-Abgeordneter aus Südwestfalen. "Es setzt an der Quelle an, schützt die Verbraucher und gibt Rechtssicherheit". Kommunen und Steuerzahler sollten nicht für eine Verschmutzung der Flüsse mit PFT aufkommen müssen. "Der Verursacher muss dafür haften", fordert Liese. Auch die Landesregierung ist für ein Verbot. "Nur so gelingt es uns, gefährliche Stoffe auf Dauer aus der Umwelt fernzuhalten und aufwändige Reparaturmaßnahmen, wie sie jetzt an Ruhr und Möhne erfolgen, überflüssig zu machen", sagt Staatssekretär Alexander Schink (CDU).

Auch Wissenschaftler schließen sich an. "Ein Verbot von PFT würde ich begrüßen, da die Substanzen schlecht bis gar nicht abbaubar sind", sagt Harald Färber vom Bonner Hygiene-Institut. Färber war im Frühjahr auf die zu hohen Konzentrationen der umstrittenen Tenside an der Ruhrmündung gestoßen.

Für die Reinigung des Trinkwassers zahlt allein die Stadt Arnsberg rund 150.000 Euro. "Wir werden versuchen, Schadenersatzansprüche geltend zu machen", sagt Midderhoff. Gegen wen, ist noch unklar. Allerdings habe sich der Verdacht erhärtet, dass Biodünger Schuld an der Verschmutzung ist, sagte gestern ein Sprecher des Hochsauerlandkreises. Der Dünger der Firma GW Umwelt aus Borchen war in der Region auf gut 1.200 Hektar aufgetragen worden. Zwar wurden in Proben des Düngers keine Tenside gefunden. Allerdings muss dieser nicht mit dem Kompost identisch sein, der auf den Feldern landete. Auch außerhalb des Möhnegebiets seien Äcker belastet, wenn auch nur gering, so der Kreissprecher. Untersucht wurden zunächst 14 von 50 gedüngten Flächen im Ruhr-, Nierbach- und Elpetal.
Politik macht Partypause
Hunderttausende Schwule und Lesben feiern den Kölner Christopher Street Day. Kritik an Kürzungen der Landesregierung nur am Rande. Politiker nutzen das Straßenfest zur Eigenwerbung

von Stephan Große

Rund 600.000 Schwule und Lesben feierten gestern in den Straßen Kölns den Christopher Street Day. Am Paradezug durch die Innenstadt nahmen ab Mittag rund 20.000 Leute mit 70 Wagen teil. So demonstrierten sie für Gleichberechtigung und Toleranz. In diesem Jahr war das Motto "100 Prozent NRW nur mit uns" zwar sehr politisch, darüber gesprochen wurde aber nur eine Stunde. Die Veranstalter wählten das Thema, um gegen die Kürzungen der amtierenden schwarz-gelben Landespolitik zu demonstrieren, unter denen sie stärker litten als andere: Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen erhalten weniger Geld.
Während der zwei kurzen Diskussionsrunden auf dem Kölner Altermarkt am Samstag während des "Cologne-Pride"-Straßenfests, wurde vor allem über die Fortschritte der Homobewegung diskutiert. Besonders die neue Fassung des Lebenspartnerschaftsgesetzes, das seit Anfang vergangenen Jahres in Kraft ist, wurde gelobt. Seitdem sind wesentliche Dinge einfacher geworden: Homosexuelle Arbeiter und Angestellte sind ihren Hetero-Kollegen völlig gleichgestellt. Bringt ein Partner ein Kind mit in die eingetragene Partnerschaft, kann es als Stiefkind adoptiert werden. Wie Heteros können sich Homosexuelle verloben: Das hat vor allem den Vorteil, dass sie als Angehörige anerkannt werden. Zudem erhalten sie ein Zeugnisverweigerungsrecht. Auch Unterhaltszahlungen sind seitdem genauso geregelt wie bei einer Ehe.

Dennoch sind viele Punkte offen geblieben, gerade was die steuerliche Gleichstellung angeht. "Das Ziel Ehe bleibt bestehen", sagte Axel Blumenthal, Mitglied des Bundesvorstands des Lesben- und Schwulenverbands Deutschlands (LSVD).

Besonders viele Probleme gibt es noch für binationale Homo-Paare. "Häufig sind sie dreifach-diskriminiert", sagte Mikos Delveroudis, der homosexuelle Migranten berät. Sie seien wegen ihre Herkunft und sexuellen Orientierung in der Gesellschaft diskriminiert. Aber auch in der Homo-Community gelten sie als Exoten. Auch das Thema antischwuler Gewalt wurde diskutiert: "Köln ist tragischerweise nicht so tolerant wie es scheint", sagte Sascha Facius vom Kölner Schwulen-Überfall-Telefon. Gewalttaten würden mitten in der Stadt passieren, die Dunkelziffer sei hoch. Häufiges Problem in vielen Bereichen: fehlende Statistiken.

Die Kölner Bundestagsabgeordnete Lale Akgün (SPD) nutze das Straßenfest, um für ihre Politik zu werben. Immerhin sind nach Schätzungen des LSVD rund zehn Prozent der Wahlberechtigten homosexuell. Akgün sagte, dass endlich die sexuelle Orientierung auch als Asylgrund anerkannt werden muss, da vielen Menschen in der Heimat Verfolgung drohe. Dafür gab es vom Publikum viel Applaus. Allerdings konnte sie auch auf taz-Nachfrage keine konkreten Initiativen nennen - eine eigene stellte sie ebenfalls nicht in Aussicht.
Ab in den Kongo
Von Köln aus starten Sonntag deutsche Soldaten in den Kongo. Bundeswehrverband übt Kritik

von Stephan Große

Köln - Der Militärstützpunkt am Köln/Bonner Flughafen ist zentraler Abflugsort für die Bundeswehrsoldaten, die am Kongoeinsatz teilnehmen. Sonntag früh starten 170 Soldaten einer Luftlandebrigade nach Kinshasa und in die Hauptstadt des Nachbarlandes Gabun. In NRW stationierte Truppen nehmen allerdings nicht an dem Auslandseinsatz teil. Neben den deutschen werden morgen rund 30 Angehörige der niederländischen Streitkräfte verlegt.
Die Meinungen über den Einsatz gehen weiterhin auseinander. "Die Soldaten sind hoch motiviert. Sie wollen nach der konzentrierten Vorbereitung los", so ein Sprecher des Einsatzführungskommandos in Potsdam zur taz. Wilfried Stolze, Sprecher des Bundeswehrverbandes, ist anderer Meinung: "Die Soldaten vor Ort scheinen nicht begeistert zu sein. Das Material und die Ausrüstung sind schlecht; das demoralisiert die Truppe", sagte er. Von einem "echten" soldatischen Einsatz wollte Stolze bisher nicht reden: Die Soldaten säßen abgeschottet in ihrem Quartier am Flughafen Ndolo im Zentrum Kinshasas und wären unter sich.

Insgesamt werden 780 deutsche Soldaten in die Region entsandt, die meisten nach Gabun. Sie nehmen an der EU-Operation teil, die die Friedensmission der Vereinten Nationen unterstützen soll. Ziel ist es, die ersten demokratischen Wahlen im Kongo seit mehr als 40 Jahren zu sichern. Bereits vor einer Woche starteten die ersten deutschen Soldaten des Hauptkontingents. In Libreville, der Hauptstadt Gabuns, befindet sich das logistische Drehkreuz der Kongo-Mission. Dass die Soldaten nach vier Monaten zurückkehren glaubt Stolze nicht: "Die Deutschen sind immer die letzten, die das Licht ausmachen", sagte er mit Blick auf andere Auslandseinsätze.
Operation gelungen - Witten lebt weiter
Der Wissenschaftsrat hat keine Bedenken mehr gegen das Medizinstudium an der Universität Witten/Herdecke: Neun neue Professoren werden eingestellt, die Forschung ausgebaut und das Land erhöht die Finanzhilfen

von Stephan Große

Witten/Mainz - An der Privat-Universität Witten/Herdecke dürfen auch zukünftig Mediziner ausgebildet werden. Das hat der Wissenschaftsrat bei seiner gestrigen Sommersitzung in Mainz beschlossen. "Wir werden beweisen, dass die Universität das in sie gesetzte Vertrauen rechtfertigt", sagte Uni-Präsident Wolfgang Glatthaar nach der Entscheidung. Konrad Schily, Gründungspräsident der Universität, reagierte verhalten auf die Entscheidung des Rates: "Ich bin froh über dieses Ergebnis. Aber ich hoffe, dass die Uni nicht Kröten schlucken musste, die sie nicht verdauen kann", sagte er zur taz.
Die Uni konnte den Experten-Rat mit einem neuen Konzept für den Humanmedizinischen Studiengang überzeugen. Seit Mitte vergangenen Jahres steht er in der Kritik: Zu wenig hauptamtliche Professoren, geringe Forschungsleistung, lauteten die zentralen Vorwürfe des Rates.

Künftig wird die Versorgungsforschung an der Hochschule voran getrieben. Dabei wird die Patientenbetreuung unter alltäglichen Bedingungen untersucht. Sie bildet die wissenschaftliche Grundlage für mögliche Veränderungen der Patientenversorgung und des Gesundheitssystems. Neben neun neuen Professoren werden Stellen für 21 Mitarbeiter geschaffen. Die Grundlagenforschung wird ebenfalls ausgebaut: Es entsteht ein Forschungszentrum für Entzündungserkrankungen an Organen. Der Forderung des Wissenschaftsrates nach mehr interner Vernetzung von Forschung und Lehrer kommt die Uni ebenfalls nach. Die Umsetzung des Konzepts hat zum Teil bereits begonnen. Die Fortschritte waren mit ausschlaggebend für das positive Votum des Rates. "Wir sind jetzt frei, das Konzept das wir dem Rat vorgestellt haben umzusetzten", sagte Olaf Kaltenborn, Sprecher der Hochschule.

Die Kosten für den Ausbau der Humanmedizin belaufen sich in den kommenden drei Jahren auf 11,5 Millionen Euro. Das Land beteiligt sich: Die jährlichen Zuschüsse für die Privat-Universität werden um eine Millionen auf insgesammt 4,5 Millionen Euro jährlich aufgestockt. Die verbleibenden Kosten werden durch Drittmittel der Hochschule gedeckt.

Im nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministerium wurde die Entscheidung ebenfalls begrüßt: "Dies ist ein Meilenstein in der weiteren Entwicklung der bundesweit einzigartigen privaten Universität", sagte Wissenschaftminister Andreas Pinkwart (FDP). Das Ministerium hatte an dem Konzept der Uni mitgearbeitet, das die Basis für die heutige Entscheidung war. Die Kritik des unabhängigen Wissenschaftrates an der Wittener Medizinerausbildung sorgte im vergangenen Jahr bundesweit für Aufsehen. Bis dahin galt der Reformstudiengang als wegweisend, weil die Studenten früh die Arbeit mit Patienten erlernen. Die nun erfolgte volle Anerkennung der Universität gilt bis 2009. Ein Jahr zuvor wird sie erneut turnusmäßig überprüft.
Countdown für Privatuni
Darf Deutschlands erste Privatuni in Witten-Herdecke weiter Mediziner ausbilden? Heute fällt die langerwartete Entscheidung im Wissenschaftsrat. NRWs Wissenschaftsminister ist optimistisch

von Stephan Große und Miriam Bunjes

Heute entscheidet sich die Zukunft der Universität Witten-Herdecke. Der Wissenschaftsrat will endgültig beschließen, ob Deutschlands erste private Universität weiter MedizinerInnen ausbilden darf. An der Privatuni lernen 1.100 Studierende, die Hälfte studiert davon Medizin. Ein Aus der medizinischen Fakultät würde das Ende der Uni bedeuten. Im vergangenen Juli hatte der Wissenschaftsrat - das wichtigste Beratungsgremium der Bildungspolitik - in einem mit Fundamental-Kritik gespicktem Gutachten die Schließung der medizinischen Fakultät empfohlen: Deren Leistungen entsprächen nicht den Maßstäben einer Universität.
Im Zentrum der Kritik steht die Forschungsleistung. Das unabhängige Gremium bemängelte insbesondere die fehlende Uniklinik. Stattdessen kooperiert Witten-Herdecke mit elf Kliniken. Dadurch zerfasere die praktische Ausbildung, so der Rat. Zudem liege die Grundlagenforschung brach. Die Fachleute aus Wissenschaft und öffentlichem Leben fordern mehr hauptamtliche Professuren, mehr Forschung und eine grundlegende Überarbeitung der praktischen Ausbildung.

Die Kritik überraschte deutschlandweit: Der Reformstudiengang Medizin in Witten-Herdecke galt bislang als besonders innovativ: Bei Hochschul-Rankings belegten die Wittener Spitzenplätze, weil die Studierenden früh mit Patienten arbeiten.

Die Uni hat ihre Hausaufgaben gemacht. Seit Anfang diesen Jahres liegt ein neues Konzept auf den Schreibtischen im Wissenschaftsrat. Künftiger Forschungsschwerpunkt ist die so genannte Versorgungsforschung. "Wir haben die Grundlagenforschung deutlich aufgestockt", sagt Uni-Sprecher Olaf Kaltenborn. Bis zum Jahresende wird es acht neue Institute geben. Das Institut für chirurgische Forschung, ein Gemeinschaftsprojekt mit der Kölner Uni, arbeitet bereits. Die Uni entkräfte so den Vorwurf der mangelhaften Forschung und schaffe gleichzeitig neun interne Professoren, sagt Kaltenborn.

Auch die - ebenfalls monierte - Vernetzung innerhalb der Uni wurde vorangetrieben: So werden künftig die Biowissenschaftler enger mit den Medizinern zusammenarbeiten. In den Verträgen mit den Lehrkliniken wird inzwischen der Forschungsaspekt betont.

Doch auch das neue Konzept überzeugte die Gutachterkommission nicht. Bei der Frühjahrssitzung des Rates im Mai konnten die Mitglieder sich zu keinem abschließenden Votum durchringen. Der Uni wurde stattdessen ein zweiseitiges Anforderungsprofil übergeben, das neun konkrete Forderungen umfasst. "Es ist klar, dass wir uns nicht die Mühe gemacht hätten, wenn wir keine Chance mehr sehen würden", sagte der Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Peter Strohschneider nach der Sitzung.

Nordrhein-Westfalens Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP), dessen Ministerium die Gutachten des Wissenschaftsrats für die NRW-Unis beauftragt, klingt noch optimistischer. Die Neukonzeption habe eine faire Chance verdient, so der Minister. "Wir sind sehr guter Hoffnung, dass Witten seine Medizin beibehält", sagt sein Ministeriumssprecher einen Tag vor der Entscheidung.
Vorsicht Trinkwasser
Die Grünen halten das Trinkwasser aus der Ruhr für gefährlich. Doch Landesumweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) will davon nichts wissen: Es bestehe "kein dramatischer Sanierungsbedarf"

von Stephan Große

Wirksamere Methoden zur Trinkwasseraufbereitung fordern die Grünen von Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU). Anlass ist die starke Belastung der Ruhr mit perfluorierten Tensiden (PFT). "Ihnen ist bekannt, dass die Wasseraufbereitung aus der Ruhr nicht nach dem Stand der Technik erfolgt", heißt es in dem Schreiben von Johannes Remmel, Parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen im Landtag, an den Minister. Das Hauptproblem sehen die Grünen im Verfahren, wie Trinkwasser an der Ruhr gewonnen wird: Wenig belastetes Regenwasser wird mit Flusswasser der Ruhr vermengt. Gerade in trockenen Sommern würde das Ruhr-Wasser zu 40 Prozent aus Wasser bestehen, dass von Kläranlagen abläuft, mit allen Rückständen, die die dortige Reinigung nicht filtert. "Das bisher angewandte Aufbereitungsverfahren garantiert mit Sicherheit nicht eine Unversehrtheit der Menschen, die dieses Trinkwasser benutzen", so Remmel. Auch eine kostenlose Abgabe von Mineralwasser an Schwangere und Eltern von Säuglingen in besonders betroffenen Stadtteilen von Arnsberg reiche als Reaktion nicht aus.
Das Umweltministerium widerspricht den Anschuldigungen. "Beim Trinkwasser sehen wir keinen dramatischen Sanierungsbedarf - auch nicht an der Ruhr", sagt Markus Fliege, Sprecher des Umweltministeriums in Düsseldorf. Die Wasserversorger seien stets bemüht, die Aufbereitung auf dem neuesten Stand zu halten. Trinkwasser sei eines der reinsten Lebensmittel, so Fliege weiter. Die Kosten für modernere Aufbearbeitungstechniken müssten letztlich die Städte und Kommunen bezahlen.

Bei den Wasserversorgern an der Ruhr herrscht ebenfalls Unverständnis über die Grünen: "Die Forderungen sind reichlich grotesk. Wir halten alle Werte der Trinkwasserverordnung ein. PFT ist wohl Stoff des Monats", sagt Heinz-Otto Heimeier, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke an der Ruhr, die für das Trinkwasser verantwortlich sind. Inzwischen werde das Wasser mit Hilfe von Aktivkohle gefiltert, und somit auch von PFT gereinigt.

Der für die Kläranlagen zuständige Ruhrverband weist ebenfalls Remmels Anschuldigungen zurück: "In den letzten 15 Jahren wurden 1,6 Milliarden Euro in unsere Kläranlagen investiert. Sie entsprechen dem Stand der Technik", sagt Peter Evers, Leiter der Abteilung Abwasserwesen beim Ruhrverband.

Anfang Juni hatten Untersuchungen des Hygiene-Instituts der Universität Bonn ergeben, dass bis zu 600 Nanogram PFT das Wasser von Ruhr und Möhne belasten. Die betroffenen Kreise erkannten allerdings keine akute Gesundheitsgefahr. Sie empfahlen dennoch, Babynahrung nicht mit Leitungswasser zuzubereiten. Mitte Juni sprach sich die Trinkwasserkommission des Umweltbundesamtes für einen neuen Zielwert von 100 Nanogramm pro Liter Wasser aus. PFT ist in zahlreichen Alltagsgegenständen wie beschichtetem Papier und Reinigungsmittel enthalten. Grenzwerte gibt es nicht.
Der Schein der Villa
Die historische Villa Dahm in der Ex-Hauptstadt Bonn wird abgerissen. Ihr Bild strahlt zukünftig vom Nachfolgebau

von Stephan Große

Die Villa Dahm wird nach ihrem Abriss wieder auferstehen: Die Silhouette der Gründerzeit-Villa wird von der Glasfassade des Kongresszentrums strahlen, für das sie im Laufe der Woche abgerissen wird. Die Erweiterung des Internationalen Kongresszentrums Bundeshaus Bonn (IKBB) im ehemaligen Bonner Regierungsviertel ist längst beschlossene Sache.
Die Villa wurde 1876 vom Fabrikanten Jakob Dahm erbaut. Nach dem zweiten Weltkrieg residierte dort zunächst das Auswärtige Amt, Mitte der fünfziger Jahre zog die Deutsche Parlamentarische Gesellschaft (DPG) ein. Erst mit dem Umzug der Regierung nach Berlin Ende der 90er Jahre verlagerte auch die DPG ihren Sitz an die Spree.

Zunächst wollte die Bonner Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann (SPD) das Haus retten. "Die Stadt bemüht sich darum, die Villa Dahm zu erhalten." Zu ihren Vorschlägen zählte, die Villa abzutragen und an anderer Stelle wieder zu errichten. Fünf Millionen Euro hätte ihre Bewahrung laut Stadtkonservator Franz Josef Talbot gekostet. Inzwischen heißt es, ein "Erhalt des Gebäudes war nicht zu realisieren."

Die Villa Dahm war nicht das einzige, aber das älteste Gebäude auf dem Gelände, dessen Abriss diskutiert wurde. Dort stehen ebenfalls die ehemaligen Abgeordnetenhäuser - Bauhausarchitektur der frühen 60er Jahren - und die Pressebaracke. Denkmalschützer entschieden: Die Appartments bleiben, Villa und Pressebaracke werden "niedergelegt".

Der nun anstehende Ausbau des Kongresszentrums hat die Stadt teilweise in private Hände gelegt: Im Rahmen eines "Public-Private-Partnership"-Projekts soll das ehemalige Hauptstadt-Dorf Bonn attraktiver für internationale Kongresse werden und den Ansprüchen der zahlreichen UN-Außenposten gerecht werden, die bereits am Rhein stationiert sind. Die Plenarsäle Behnisch-Bau und Wasserwerk, in denen früher der Bundestag tagte, bieten künftig zu wenig Platz. SMI Hyundai investiert 140 Millionen Euro in den Bau, damit 3.500 Quadratmeter neue Konferenzraumfläche und ein "Mindestens-Vier-Sterne-Hotel" entstehen können.

Einen Trost gibt es nach dem Abriss der Villa: Der wahrscheinlich einzige denkmalgeschützte Kiosk des Landes gegenüber des Bundeshauses, in dem jahrelang die legendäre Parlamentarier-Bockwurst aufgebrüht wurde und reißßenden Absatz fand, wird zunächst nur versetzt.