Urlaub im XXL-Format
Mitarbeiter im Sabbatjahr können zumindest in großen Firmen auf Programme für den Wiedereinstieg zählen

Gespannt wie an ihrem ersten Arbeitstag kehrte Els de Ridder Anfang Mai an ihren Arbeitsplatz bei BMW zurück. Die studierte Luft- und Raumfahrttechnikerin entwickelt für den Münchner Konzern Sportwagen-Bauteile und testet sie im Windkanal. Aber vor zwei Monaten stand nicht der neueste Spoiler im Mittelpunkt des Interesses, sondern sie selber. Denn das erste Mal seit einem halben Jahr traf sie ihre Kollegen wieder.
"Alle waren enthusiastisch, wollten Bilder sehen und Geschichten hören", sagt Ridder. Sechs Monate war die Belgierin in der Welt unterwegs gewesen: Brasilien, Thailand und Vietnam waren nur einige ihrer Stationen. "Als ein größeres Projekt abgeschlossen war, habe ich mir gedacht: jetzt oder nie", erzählt sie. Und startete im November letzten Jahres in ihr Sabbatical. Das Wort, das in der Arbeitswelt einen mehrmonatigen, bezahlten Urlaub meint, leitet sich von dem hebräischen Sabbatjahr ab. Nach der Tora soll ein Bauer nach sechs Jahren eine Ruhephase im Bestellen der Felder einlegen, um die Regeneration des Bodens zu unterstützen.

Die Weltreisende Els de Ridder ist eine von mehr als 7000 BMW-Beschäftigten, die seit der Einführung des hauseigenen Sabbatical-Programms 1994 einen XXL-Urlaub genommen haben. "Die Auszeiten unserer Mitarbeiter dauern im Schnitt 2,5 Monate", sagt BMW-Sprecherin Heike Stegert. Sie werden über eine Kürzung der Jahressonderzahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld finanziert. Auch Erfolgsbeteiligungen werden gekürzt, um den Freizeitblock zu finanzieren. Der Vorteil: Das Gehalt wird trotz Abwesenheit weitergezahlt.

Beruflich zurückgeworfen hat Ridder das halbe Jahr nicht. "Es gab zwar in der Zeit meiner Abwesenehit eine Umstrukturierung, aber die Teamleiter und Kollegen kannte ich trotzdem noch. Nach wenigen Tagen war ich wieder im normalen Tritt", sagt Ridder.

Bei einem klassischen Sabbatical nutzt der Arbeitnehmer seine freie Zeit zur Regeneration. Aber inzwischen kommen auch andere Varianten ins Spiel. Viele Auszeitler verbringen die stressfreien Monate mit der Familie. Andere kümmern sich um den Hausbau oder machen eine Weiterbildung.

"Zunächst sollte man mit seinem direkten Vorgesetzten über den Wunsch nach einem Sabbatical sprechen", sagt Barbara Siemers, die für ihre sozialwissenschaftliche Dissertation mehr als hundert Auszeitler befragt hat. Schließlich sei es der Vorgesetzte, der die Veränderungen am Arbeitsplatz planen und umsetzen muss. Die Personalabteilung spielt erst später bei den Formalia eine Rolle. "Es ist immer sinnvoll, dem Vorgesetzten gute Vorschläge zu machen, wie die Arbeit während der Auszeit umverteilt werden kann", rät Siemers. Außerdem sollte man auf jeden Fall kompromissbereit in die Verhandlungen gehen und frühzeitig mit der Planung beginnen. Auch die Kollegen sollten eingeweiht werden, damit sie sich auf die nötigen Veränderungen einstellen und sie aktiv begleiten können.

Angst vor einem Karriereknick muss ein Sabbatical-Nehmer nicht haben. Die Pause kann sogar sinnvoll sein, wenn man einen Karrieresprung wagen will und die freie Zeit für eine Fortbildung nutzt. "So wird das Sabbatical zu einer Chance für alle Beteiligten", sagt Siemers. Aber selbst ohne neuen Lern-Input gilt: Der Auszeitler kommt mit neuen Eindrücken in die Firma zurück und kann wichtige Impulse geben.

Ein Modell zur Finanzierung der Auszeit ist inzwischen am weitesten verbreitet: Vor dem Sabbatical verzichtet der Auszeitler auf einen Teil des Gehalts, arbeitet aber Vollzeit weiter. Während der freien Zeit wird dann das reduzierte Einkommen weitergezahlt. "Grundsätzlich eignen sich solche Teilzeitmodelle gut für ein Sabbatical", sagt Siemers. Das Ansparen von Überstunden ist eher für kürzere Freistellungen geeignet. Der Wiedereinstieg in den Beruf sollte genauso klar geregelt sein wie die finanziellen Aspekte. "Der Vorteil ist, dass man vorab kalkulieren kann", sagt Siemers. Das finanzielle Risiko lässt sich leicht abschätzen, und auch die Rentenabschläge können im Vorfeld durchgerechnet werden.

Bei Siemens gibt es ein solches Teilzeitmodell schon seit einigen Jahren. Eingeführt hat es der frühere Vorstandschef Heinrich von Pierer. Der Mitarbeiter, der ein Sabbatical plant, bekommt einen neuen Arbeitsvertrag, der die Modalitäten klar regelt: "Darin ist festgelegt, dass den Mitarbeitern während der Auszeit mindestens 70 Prozent ihres Gehalts zur Verfügung stehen", sagt Siemens-Sprecher Marc Langendorf.

Doch in der Regel bleibt dem Auszeitler deutlich mehr Lohn als dieser Mindestsatz. Denn der Sabbatical-Vertrag beinhaltet einen Sparplan. Je länger dieser läuft, desto mehr Lohn bleibt dem Auszeitler während der Vertragslaufzeit. Geht der Vertrag über zwei Jahre und der Mitarbeiter möchte zwei Monate aussteigen, bekommt er mehr als 90 Prozent des Lohns. Bei einer Laufzeit von nur zwölf Monaten sind es immerhin noch 83 Prozent. "Überwiegend neigen die Leute dazu, das Gehalt moderat zu kürzen und sparen eher länger", sagt Expertin Siemers.


Trotz der steigenden Anzahl an Sabbatical-Nehmern sind lange Auszeiten in Deutschland noch eine Ausnahmeerscheinung. "In ungefähr drei Prozent der großen und mittelständischen Unternehmen in Deutschland gibt es bisher solche Sabbatical-Programme", sagt Siemers. Doch in den letzten Jahren beobachtet sie den Trend, dass Unternehmen immer offener für die verschiedenen Auszeit-Modelle werden. "Besonders in Kreativberufen und bei Unternehmensberatungen sind Sabbaticals schon heute keine Seltenheit mehr", sagt Siemers.

Bei Risikomanagerin Tanja Dierkes laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Im Sommer startet die Mitarbeiterin der Unternehmensberatung McKinsey zu einer Radtour von Santiago de Chile nach Feuerland. Danach stehen noch Neuseeland und Thailand auf dem Programm. "Mit dieser Reise erfülle ich mir einen Traum", sagt Dierkes. Zwar muss sie auf ihr Gehalt verzichten, aber der Wiedereinstieg in den Beruf ist klar geregelt: "Da wir Projektarbeit machen, ist es relativ einfach möglich auszusteigen. Zwischen zwei Projekten vermisst mich niemand", sagt Dierkes. Kämpfen musste sie um die Auszeit nicht. Zwar gibt es bei McKinsey kein festes Sabbatical-Programm, aber umso eher sind die Vorgesetzten zu individuellen Vereinbarungen bereit. Wenn sie zurückkommt, wird das nächste Arbeits-Projekt auf sie warten. Und die Fragen der Kollegen nach Geschichten und Bildern der Reise.