Sparbücher sind tabu
Erste Produkte für Muslime kommen auf den Markt / Anbieter müssen das Zinsverbot beachten

Die Bank-Filiale sieht aus wie jede andere: Blaue Ausstattung, Licht durchflutete Räume, moderne Einrichtung. Erst, wenn der Finanzberater statt Kaffee plötzlich ein Glas Tee reicht, ist der kleine Unterschied zu spüren.„Bankamiz“ übersetzt „Unsere Bank“ heißt das Projekt mit dem die Deutsche Bank gezielt Türken ansprechen will. Die Berater sprechen Türkisch, selbst die Anträge zur Kontoeröffnung sind zweisprachig. In 13 Filialen läuft der Betrieb seit einem halben Jahr.
Doch ein anderes Auftreten nach außen reicht nicht – muslimische Kunden haben auch besondere Ansprüche an die Finanzprodukte. Das islamische Rechtssystem macht den Gläubigen strikte Vorgaben. Besonders wichtig ist das Zinsverbot, „Riba“. Gläubigen ist es strikt untersagt, Zinsen zu zahlen oder selber durch Verzinsungen Geld zu verdienen. Damit scheiden für gläubige Muslime konventionelle Produkte wie Sparbücher, Kredite oder Festgeld aus.

In der muslimischen Welt haben sich jedoch viele Praktiken etabliert, um das Verbot zu umgehen. Beim Hauskauf beispielsweise gewährt die Bank den Muslimen keinen Kredit, sondern fungiert als Zwischenhändler: Die Bank kauft die Immobilie und verkauft sie zu einem Aufpreis an den Kunden weiter. Der zahlt dann den Kaufpreis in Raten an die Bank zurück – die Zinsen sind im Aufpreis versteckt. Auch bei Firmengründungen können Muslime auf diese Konstruktion zurückgreifen.

Das muslimische Recht schreibt zusätzlich ein Spekulationsverbot sowie verschiedene ethische und soziale Kriterien vor. Bankmanager müssen also beim Auflegen von Fonds darauf zu achten, dass nur Aktien von Unternehmen aufgenommen werden, die weder mit Alkohol noch mit Schweinefleisch handeln. Die Anlage-Experten holen sich oft fachlichen Rat bei islamischen Rechtsgelehrten, die auch bestimmte Produkte zertifizieren.

„Es gibt durchaus eine große Nachfrage von Muslimen in Deutschland, aber einfach zu wenig Angebote“, beschreibt der selbstständige Bankenberater Michael Gassner die Situation. Die Muslime treibt das in einen Glaubenkonflikt: „Aus Mangel an Alternativen können viele Muslime das Zinsverbot des Korans nicht befolgen“, sagt Gassner. Rund 50 Prozent der Türken in Deutschland lassen ihr Geld bei der Sparkasse liegen – doch oft mit einem schlechten Gewissen.

Noch sind die Produkte auf dem Deutschen Finanzmarkt gut versteckt. Die Deutsche Bank selber hat Anfang des Jahres als erstes Institut einen Publikums-Fond aufgelegt, der sich an die Regeln des islamischen Finanzsystems hält. Auch Aktienzertifikate, die an der Frankfurter Börse gehandelt werden, hat die Bank im Programm. Mit dem „Noriba Global Equities“ hat auch die UBS Bank einen Islam-Fond im Angebot, der in Deutschland lizensiert ist.

„Unsere islamischen Produkte laufen sehr gut, aber wir bemerken in Deutschland noch eine sehr geringe Nachfrage“, sagt Deutsche-Bank-Sprecherin Kirsten Siersleben. Bisher bewirbt die Bank ihre islamischen Produkte allerdings kaum. Die Kunden für die Produkte kommen zum Großteil aus den Golf-Staaten und den Emiraten.

Für wohlhabende Anleger bleibt als Alternative nur der Gang ins Ausland. Besonders in Großbritannien haben westliche Institute wie HSBC die Geldanlage für Muslime als Umsatzbringer erkannt. Sogar rein islamische Banken wie die „Islamic Bank of Britain“ gibt es auf der Insel. Allerdings sind die Geschäfte dort nur für wenige Muslime möglich, da oftmals hohe Summen angelegt werden müssen. Außerdem sind die Anlagen im Ausland nicht ohne Risiko: „Nicht überall gibt es eine Einlagensicherung, die mit den hohen deutschen Standards zu vergleichen ist“, warnt Kilian Bälz, der sich als Islamwissenschaftler und Rechtsanwalt vor allem auf die Beratung islamischer Investoren spezialisiert hat. Diese Angebote sind daher nur etwas für sachkundige Privatanleger.

Noch sind die Angebote für Muslime nur ein Nischenmarkt. Doch immerhin 300 Milliarden Dollar weltweit werden Schätzungen zufolge nach den Regeln des islamischen Rechts angelegt. Besonders interessant für westliche Banken ist das prognostizierte jährliche Wachstum diese Marktes von 15%. Auch innerhalb Deutschlands steckt dabei viel Potential, denn hier leben rund 3,5 Millionen Menschen muslimischen Glaubens. „Der Glaube und damit das Zinsverbot spielen eine zunehmende Rolle“, sagt Islamwissenschaftler Bälz. Berater Gassner rechnet damit, dass sich in den kommenden Jahren noch einiges tun wird: „Die Bank, die zuerst in Deutschland ein umfangreiches scharia-gerechtes Angebot auf den Markt bringt, wird sehr viele Kunden an sich binden.“

Zudem beobachtet Gassner einen neuen Trend: Vor allem Türken haben Garagen für Autos, in denen sie Stellplätze vermieten, als echte Investment-Alternative entdeckt. Das Konzept ist simpel: „Der Kaufpreis einer Garage ist verhältnismäßig günstig, man braucht dafür keinen Kredit aufzunehmen und die Rendite ist ordentlich“, so Gassner. Inzwischen sei das Geschäft mit Kleinimmobilien vor allem beliebt, um für das Alter vorzusorgen. Auch das Risiko ist einigermaßen überschaubar, denn Parkraum ist nicht nur in Großstädten knapp. Zudem lassen sich Garagen unproblematischer vermieten als Wohnungen. Und mit dem islamischen Recht gibt es bei diesem Konzept auch keinen Konflikt.