Neues Chemierecht im Endspurt
Ausschuss debattiert über die Verordnung "REACH"

von Stephan Große

Die neue Chemikalienverordnung auf europäischer Ebene ist schon seit 1998 in der Planung. Nun befinden sich die Beratungen in der Endphase. Noch im November wird die Abstimmung im Europäischen Parlament erwartet. Auch für NRW, einem wichtigen Standort chemischer Industrie in Europa, ist diese Neuregelung von Bedeutung.
Das Kürzel REACH steht übersetzt für Registrierung, Bewertung und Zulassung chemischer Stoffe, wie beispielsweise Glutamat oder Dioxin. Ziel der neuen Verordnung ist, einen einheitlichen Ordnungsrahmen für neue und alte chemische Stoffe innerhalb Europas zu schaffen. Noch gibt es über 40 Richtlinien. Die Registrierung von Chemikalien ist Schwerpunkt des geplanten Systems. Mit Ausnahme von Zwischenprodukten, die nicht auf den Markt gelangen, sind alle Chemikalien registrierungspflichtig und werden erfasst. So sollen beispielsweise Daten bezüglich der Eigenschaften von Stoffen und deren Anwendung gesammelt werden. Auch Informationen zum sicheren Umgang mit den Substanzen gehören dazu. Innerhalb von elf Jahren sollen alle Daten gesammelt sein.

Der Ausschuss für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landtags NRW, Vorsitz Marie-Luise Fasse (CDU), beschäftigte sich zuletzt Ende Oktober in einer Sondersitzung mit der REACh-Verordnung. Nicht zuletzt,weil rund 129.000 Menschen in NRW in der Chemie-Branche beschäftigt sind. Grundsätzlich herrschte Einigkeit im Ausschuss: Als positive Chance wurde das Reformprojekt bezeichnet. Allerdings müsse an einigen Punkten nachgebessert werden.

So lautete auch der Tenor des Berichts der Landesregierung von Staatssekretär Dr. Jens Baganz aus dem Wirtschaftsministerium: "REACH vereinheitlicht das Chemikalienrecht, es soll Kosten senken; für Importeure sollen die gleichen Regeln gelten." Man müsse verhindern, dass die Produktionsorte aufgrund eines teuren Registrierungsverfahrens in das außereuropäische Ausland verlagert würden.

Ein gemeinsamer Antrag der Fraktionen von SPD, CDU und FDP bildete im Jahr 2003 die Grundlage für ein Planspiel der Landesregierung, in dem die Praxistauglichkeit der Verordnung überprüft wurde. Dabei bestätigten sich die Befürchtungen, so Ausschuss-Mitglied Karl Kress (CDU). Auch die Uneinigkeit der Ausschüsse, die sich in Brüssel mit dem Thema befassen und die daraus resultierenden verschiedenen Konzepte der REACh-Verordnung, tragen ihren Teil zur Unsicherheit bei. Wolfram Kuschke (SPD) verwies zudem auf den Zeitdruck, der von der britischen Ratspräsidentschaft ausgeübt würde: "Der Zeitdruck muss raus genommen werden, er geht zu Lasten des Projekts."

Doppelprüfung

Holger Ellerbrock (FDP) wies darauf hin, dass im Zuge der neuen Regelungen eine Doppelprüfung möglichst vermieden werden soll: "Ist eine Chemikalie in einem europäischen Land bereits umfassend geprüft worden, sollte REACh nicht greifen." Die Daten zu übernehmen wäre in einem solchen Fall sinnvoll. Noch stellt der vorliegende Kommissionsvorschlag ein Hindernis für kleine und mittlere Betriebe dar, da die komplexe Registrierung die Firmen überfordern würde. Und Johannes Remmel (GRÜNE) hoffte, dass durch die neue Gesetzgebung zukünftig Skandale mit krankheitserregenden Inhaltsstoffen in Gebrauchsgütern ausgeschlossen seien.

Der Ausschuss holte auch die Meinung von Experten ein. Genau wie sich die Mehrheit der Ausschussmitglieder über die Notwendigkeit von Nachbesserungen einig waren, sind es auch Dr.Andreas Diez vom "Verband der Chemischen Industrie" (VCI), Waldemar Bahr von der "Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie" (IG BCE) sowie Andreas Ahrens vom "Institut Politik und Ökonomie" in Hamburg. Besonders der bisherige Plan, vor allem die Menge der produzierten Chemikalien pro Betrieb und Jahr zur Grundlage von Bewertungen zu machen und nicht das Risikopotential der Stoffe, wurde von den Experten einheitlich kritisiert.

Eine Resolution des Ausschusses, die nochmals eine praktikable, praxisnahe Umsetzung der EU-Chemikalienpolitik einfordert, die weder Wettbewerb noch Innovationsanstrengungen beeinträchtigt und die Gesundheit und Umwelt wirksam schützt, wurde zunächst nicht verabschiedet. Zwar besteht weitgehend Konsens, aber dennoch sollte zunächst auf Basis der Ausführungen der Experten der Forderungskatalog präzisiert werden. "Ein breiter Konsens ist hier wichtiger, als ein weiterer schneller Beschluss", sagte Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU).
Alle Fraktionen wollen nun versuchen, einen gemeinsamen Antrag zu formulieren, der noch im November-Plenum beschlossen werden soll.